Verstehen Sie die Landwirtschaft?

Alle reden über Landwirtschaft und Tierhaltung: Mit Fakten, Trends, Technik und Hintergründen können Sie sich ein eigenes Bild machen.

Einen direkten Bezug zur Landwirtschaft und zu den Erzeugern unserer Nahrungsmittel haben nur noch wenige. Das Bild vom Bauern haben viele aus Fernsehshows, manch einer vom Urlaub auf dem Bauernhof oder aus Kinderbüchern, in denen Kühe romantisch auf der Weide stehen. Ist das realistisch? Sicher gibt es auch das. Aber nicht nur. Auch unsere Landwirtschaft ist wie unsere Gesellschaft insgesamt moderner geworden und hat sich weiterentwickelt.

Die deutsche Landwirtschaft gehört zu den vier größten Erzeugern in der Europäischen Union. Dieser Erfolg beruht vor allem auf der Tierhaltung: Nirgendwo sonst in Europa wird mehr Milch und mehr Schweinefleisch erzeugt. Um die über 200 Millionen Nutztiere zu ernähren, wachsen auf rund 60 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche Futtermittel, etwa Mais oder Weizen.

Rinder – die wichtigsten Nutztiere

Rinder sind, ökonomisch gesehen, die wichtigsten Nutztiere der deutschen Landwirtschaft. Etwa die Hälfte aller Landwirte hält Rinder, um Milch, Fleisch oder beides zu erzeugen. Während die Zahl der Rinderhalter sinkt, steigen die Herdengrößen: Über zwei Drittel der Rinder leben in Betrieben, die mindestens 100 Tiere halten.

Erzeugung von Milch, Rind- und Kalbfleisch

Deutschland ist der größte Milcherzeuger der EU und nach Frankreich der zweitgrößte Erzeuger von Rind- und Kalbfleisch. Etwa 26 Prozent ihres Produktionswertes erwirtschaften die deutschen Landwirte mit der Milch und dem Fleisch der Rinder - im Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2016 summierte sich der Produktionswert auf rund 14 Milliarden Euro. Mehr als zwei Drittel davon, rund 10 Milliarden Euro, entfielen auf die Milch. Diese wird fast vollständig in heimischen Molkereien zu Trinkmilch, Butter, Joghurt, Käse und anderen Milchprodukten weiterverarbeitet.

Etwa die Hälfte dieser Milchprodukte wird exportiert, davon 84 Prozent in Länder der EU. Wichtige Drittlandmärkte sind China, die Schweiz, die USA und Südkorea. Gleichzeitig führt Deutschland auch viele Milchprodukte ein – ebenfalls vor allem aus den EU-Ländern.

Schweine – die ältesten Nutztiere

Das Schwein ist eines der ältesten Nutztiere des Menschen. Heute ist es der wichtigste Fleischlieferant Deutschlands und eine tragende Säule der heimischen Landwirtschaft. Die Schweinehaltung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten rasant gewandelt: Zunehmend prägen diesen Produktionszweig hoch spezialisierte Betriebe mit großen Tierbeständen.

Welche Bedeutung hat die Schweinehaltung?

Deutschland ist Europas größter Schweinefleischerzeuger und global nach China und den USA auf Platz drei. Die deutsche Landwirtschaft erzielte mit Schweinen im Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2016 einen Produktionswert von knapp sieben Milliarden Euro. Die Struktur der Schweineproduktion hat sich in den vergangenen 50 Jahren gewandelt. Alleine von 2007 bis 2016 hat sich die Zahl der Schweinehalter um rund 50 Prozent verringert – bei leicht steigendem Tierbestand.

Haushuhn – das häufigste Nutztier

Hausgeflügel versorgt den Menschen seit mehr als 4.000 Jahren mit Fleisch und Eiern. Das Haushuhn ist das häufigste Nutztier Deutschlands. Daneben finden sich mehrere andere Geflügelarten, die außer den Puten jedoch eher Nischen besetzen. Während der Eierkonsum relativ stabil ist, wächst der Appetit der Deutschen auf Geflügelfleisch seit Jahrzehnten. Befriedigt wird dieser Bedarf zu großen Teilen von einigen Hundert spezialisierten Betrieben mit sehr großen Tierbeständen.

Haushuhn, Truthuhn, Enten und anderes Geflügel

Auf deutschen Geflügelhöfen dominiert mit weitem Abstand das Haushuhn. Daneben hat das Truthuhn, im Handel als Pute vermarktet, an Bedeutung gewonnen, die Bestandszahlen haben sich seit Anfang der 1990er Jahre mehr als verdoppelt. An dritter Stelle folgt die Entenhaltung, während die Gänsemast eine Marktnische darstellt. Andere Geflügelarten wie Perlhühner, Wachteln oder Fasane werden nur in sehr geringen Stückzahlen gehalten.

Welche Tierschutzanforderungen gibt es bei der Nutztierhaltung?

Für die Haltung von Nutztieren hat der Gesetzgeber zahlreiche Vorgaben gemacht, die darauf abzielen, dass ein Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend gehalten wird. So ist zum Beispiel für die Haltung von Schweinen vorgeschrieben, wie viel Platz ein Tier mindestens haben muss, wie die Licht- und Temperaturverhältnisse im Stall sein müssen, wie der Boden oder die Fütterungs- und Tränkvorrichtungen zu gestalten oder unter welchen Bedingungen bestimmte Eingriffe wie Kastration zulässig sind. Diese gesetzlichen Mindeststandards sind für alle Landwirte verpflichtend. Zudem schreibt das Tierschutzgesetz Eigenkontrollen durch die Landwirte vor. Mithilfe von Tierschutzindikatoren sollen betriebliche Schwachstellen aufgedeckt und behoben werden. Das BMEL hat im Sommer 2015 mit der Geflügelwirtschaft die "Vereinbarung zur Verbesserung des Tierwohls, insbesondere zum Verzicht auf das Schnabelkürzen in der Haltung von Legehennen und Mastputen" beschlossen. Seit August 2016 dürfen den Küken, die für die Legehennenhaltungen in Deutschland vorgesehen sind, keine Schnäbel mehr gekürzt werden. Seit Januar 2017 wird in Legehennenhaltungen in Deutschland auf die Einstallung schnabelgekürzter Hennen verzichtet. Ab Sommer 2018 stammen daher Eier mit Herkunft aus Deutschland grundsätzlich nur noch von Legehennen mit unkupierten Schnäbeln.

Ob ein Landwirt seinen Tieren über die tierschutzrechtlichen Mindestanforderungen hinausgehende, besonders tiergerechte Bedingungen bietet, ist für die Verbraucherinnen und Verbraucher beim Kauf von Lebensmitteln tierischer Herkunft nicht so einfach erkennbar. Deshalb arbeitet das BMEL derzeit intensiv an der Einführung eines dreistufigen staatlichen Tierwohlkennzeichens, mit dem Lebensmittel aus besonders tiergerechten Haltungssystemen gelabelt und beim Einkauf schnell und verlässlich identifiziert werden können. Die Anforderungen an die Tierhaltung werden im Tierwohlkennzeichen von Stufe zu Stufe steigen.

Hier auf diesem Internetportal können Sie sich als Verbraucherinnen und Verbraucher zum Stand der geplanten staatlichen Tierhaltungskennzeichnung und anderen Lebensmittelkennzeichnungen mit besonderem Tierschutzbezug informieren.

www.tierwohl-staerken.de/einkaufshilfen

www.tierwohl-staerken.de/einkaufshilfen/tierhaltungskennzeichnung

Nach welchen Regeln wirtschaften landwirtschaftliche Betriebe?

Kein Landwirt darf auf seinen Äckern und in seinen Ställen tun und lassen, was er will. Die gesetzlichen Vorgaben innerhalb der EU sind im internationalen Vergleich streng. Sie verpflichten alle Landwirte dazu, Standards einzuhalten, die den Umweltschutz, den Tierschutz, den Arbeitsschutz und den Verbraucherschutz betreffen. Dazu gehören zum Beispiel Hygienevorschriften, Vorgaben zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln oder Mindestanforderungen für die Ausgestaltung der Ställe.
In den vergangenen Jahren konnten durch Forschung, Förderung und gesetzliche Regelungen viele Fortschritte erzielt und Fehlentwicklungen weitgehend korrigiert werden: So gilt zum Beispiel seit 2006 EU-weit das Verbot, Antibiotika als leistungsfördernde Futtermittelzusatzstoffe einzusetzen. Die Haltung von Hühnern in Käfigen, den sogenannten Legebatterien, ist in Deutschland bereits seit 2010, in der gesamten EU seit Anfang 2012 untersagt.

Darüber hinaus sind Landwirte verpflichtet, sich an der sogenannten "guten fachlichen Praxis" zu orientieren, auf die in zahlreichen Gesetzen Bezug genommen wird. Darunter wird ein Regelwerk verstanden, das auf wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen beruht und sich in der Praxis als geeignet erwiesen hat, um den Tier- und Umweltschutz zu erhöhen. Freiwillig nehmen zahlreiche Landwirte an sogenannten Agrarumwelt- und Klimaprogrammen teil.

Weitere Informationen

Rinderhaltung

Schweinehaltung

Geflügelhaltung

Film auf Youtube: Landwirtschaft verstehen

Zum Weiterlesen

Landwirtschaft verstehen (PDF, 11 MB. barrierefrei)